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Haben alle Jugendlichen in Deutschland die gleichen Chancen auf dem Weg in die Arbeitswelt? Ganz und gar nicht, findet Kadim Tas, CEO der Initiative JOBLINGE, die Jugendlichen mit Startschwierigkeiten neue Chancen auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit eröffnet. Welchen Hürden diese Jugendliche begegnen und wie sie gezielt unterstützt werden können, schildert Tas im Interview zum Welttag der sozialen Gerechtigkeit mit Think ahead.
Herr Tas, wie gerecht ist der deutsche Arbeitsmarkt?
Der deutsche Arbeitsmarkt hat viele Stärken, aber er ist keineswegs gerecht. Oft entscheidet die soziale Herkunft mehr über die beruflichen Chancen als die tatsächliche Leistung oder der Einsatzwille. Gerade Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund haben es schwer, ihren Weg zu finden. Filter und Vorurteile in der Rekrutierung sind zusätzliche Hürden für viele Menschen, die kein Netzwerk und keine Kontakte haben. Es braucht gezielte Unterstützung und Programme, die die Hindernisse abbauen und allen jungen Menschen eine echte Chance geben.
Was motiviert Sie persönlich, sich für die berufliche Integration von Jugendlichen einzusetzen?
Ich war einer der Jugendlichen, die sich ihren Weg selbst erarbeiten mussten. Diese Erfahrung hat mich geprägt. Deshalb ist es mein Anspruch, junge Menschen nicht nur bei der Ausbildungssuche zu unterstützen, sondern darüber hinaus ihre Selbstwirksamkeit zu stärken. So möchte ich aufzeigen, dass sie ihre Zukunft aktiv gestalten können – unabhängig von den Hindernissen, die ihnen begegnen.
Welchen Hindernissen begegnen Jugendliche ohne Ausbildung heutzutage am häufigsten?
Vielen Jugendlichen fehlen Orientierung, Wissen über den Bewerbungsprozess und Kontakte, um überhaupt eine realistische Chance zu erhalten. Vorurteile sind zusätzliche Hürden. Diese Jugendlichen wissen häufig nicht, welche Möglichkeiten sie haben. Deshalb bleiben sie im Übergangssektor hängen, der ihnen nur selten eine nachhaltige Perspektive bietet. Es fehlt an Vorbildern sowie individueller Unterstützung, die ihre Potenziale sichtbar macht und ihnen Mut gibt.
Welche Unterstützung bietet ihnen JOBLINGE konkret?
JOBLINGE setzt mit den drei Säulen der Wirkung – Aktivieren, Vermitteln, Begleiten – an den zentralen Herausforderungen an. Durch innovative Rekrutierungsansätze aktivieren wir die Jugendlichen, unterstützen sie individuell, bringen sie schnell in die Arbeitswelt und begleiten sie bis zum Ausbildungsabschluss. Unsere Vermittlungsquote von 77 Prozent und die Nachhaltigkeitsquote von 84 Prozent – die den Verbleib in der Ausbildung nach sechs Monaten misst – zeigen, wie erfolgreich unser Ansatz ist. Nicht zuletzt durch unser flankierendes Sport- und Kulturprogramm sowie durch die Unterstützung von starken Partnern aus der Wirtschaft, deren Mitarbeitende als Mentor*innen agieren. Damit stärken wir nicht nur das Selbstwertgefühl und die sozialen Kompetenzen der Jugendlichen, sondern fördern zusätzlich den Blick über den Tellerrand.
Ihre Vision für 2030 lautet, insgesamt 100.000 junge Menschen auf dem Weg in die Ausbildung begleitet zu haben. Wie weit sind Sie auf diesem Weg bislang gekommen?
Bis heute haben fast 18.000 junge Menschen am JOBLINGE-Programm teilgenommen. Darauf sind wir sehr stolz und hier wollen wir weiterwachsen. Mit unserer Aktivierungskampagne PLAN A konnten wir in den vergangenen zwei Jahren bereits circa 7.000 junge Menschen erreichen – mit reichlich Luft nach oben. Für 2025 planen wir, hier weiter stark zu wachsen und neue Regionen zu erschließen – beispielsweise in Erfurt.
Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg ist das basecamp in München, das wir gemeinsam mit der Allianz SE, der BMW Group, Infineon Technologies AG, der Lufthansa Group und der Siemens AG eröffnet haben. Dieses basecamp bietet jungen Menschen einen modernen Lern- und Begegnungsort, der sie gezielt auf ihrem Weg zum Ausbildungsabschluss unterstützt. Durch Angebote wie Prüfungsvorbereitung, Konfliktbewältigung und psychosoziale Betreuung stärken wir sowohl die fachliche als auch die persönliche Entwicklung der Teilnehmenden. Die positiven Rückmeldungen der Jugendlichen bestätigen, dass wir auf dem richtigen Kurs sind.
Wie wichtig sind Partnerunternehmen aus der Wirtschaft für das Erreichen dieser Vision?
Unsere Partnerunternehmen sind essenziell, um unsere Vision zu verwirklichen. Auf der einen Seite sichern sie unsere Wirkung als Finanzierungspartner ab. Daher sprechen wir hier auch von Impact Partnerships. Zum anderen bieten sie Praktikums- und Ausbildungsplätze sowie wichtige Einblicke in die Arbeitswelt und helfen, die Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen. Darüber hinaus engagieren sich viele Mitarbeitende dieser Unternehmen als Mentor*innen oder Volunteers. Damit tragen sie dazu bei, die Jugendlichen gezielt zu fördern und auf ihrem Weg zu unterstützen.
Wie profitieren die Jugendlichen von den angebotenen Mentoring-Programmen?
Das Mentoring bei JOBLINGE stärkt vor allem die Selbstwirksamkeit der Jugendlichen. Sie erhalten individuelle Unterstützung, Orientierung und Zugang zu Netzwerken. Die Mentor*innen sind Vertrauenspersonen, die Mut machen und helfen, persönliche wie berufliche Herausforderungen zu meistern. Diese intensive Begleitung macht den Unterschied und hilft, langfristige Erfolge zu erzielen.
Ein herausragendes Beispiel ist das Engagement von Hays mit ihrem Corporate-Volunteering-Programm Helping for your Tomorrow. Diese Initiative geht weit über die finanzielle Unterstützung hinaus: Die Hays-Volunteers begleiten die Jugendlichen als Mentor*innen, bieten Workshops an und teilen ihr Fachwissen, um die Teilnehmenden auf ihren beruflichen Weg vorzubereiten. Dieses Engagement zeigt eindrucksvoll, wie starke Allianzen aus der Wirtschaft Brücken für junge Menschen bauen und eine nachhaltige berufliche Zukunft ermöglichen. Ohne diese enge Zusammenarbeit wäre unsere Arbeit nicht so wirkungsvoll. Gemeinsam schaffen wir echte Perspektiven.
Was ist Ihre bislang schönste Erfolgsgeschichte?
Es gibt unzählige Geschichten, die mich beeindrucken, von Jugendlichen, die mit großem Engagement ihren Weg gemacht haben.
Zu Beginn meiner Zeit bei JOBLINGE habe ich einen jungen Mann mit krimineller Vergangenheit begleitet. Im Laufe des Programms hat er sich sehr verändert und wir haben es geschafft, dass er am Tag des Ausbildungsbeginns durch den Richter abermals Bewährung bekommen hat. So ist er sozusagen von der Anklagebank in den Arbeitsmarkt eingestiegen. Heute ist er Mitte 30, hat ein eigenes Geschäft mit vier Angestellten und eine Familie. Diese Geschichte zeigt, wie sehr sich unsere Arbeit lohnt. Sie hat mich sehr bewegt. Ich weiß noch, als vor Gericht seine Lebensgeschichte erzählt wurde und er vor lauter Scham nicht aufhören konnte zu weinen. Da habe ich gemerkt, dass es ihm sehr geholfen hat, sich durch seinen weiteren Lebensweg davon zu lösen.
Und das ist bei vielen Geschichten der springende Punkt: Es geht auch darum, Menschen nicht nur auf ihre Geschichte zu reduzieren, sondern systematisch mit der Hilfe dort anzusetzen, wo Bedarf herrscht.
Kadim Tas ist CEO von JOBLINGE und setzt sich leidenschaftlich dafür ein, jungen Menschen mit Startschwierigkeiten im Übergang zwischen Schule und Beruf Perspektiven zu eröffnen und somit Unabhängigkeit und Teilhabe über Ausbildung zu ermöglichen. 2011 als Standortleiter in Frankfurt bei JOBLINGE gestartet, baute er sukzessive weitere Filialen auf und übernahm ein Jahr später zusätzlich die Rolle des operativen Vorstands der Dachorganisation. Seit 2022 ist er alleiniger Vorstand der Initiative.
Weiterführende Links:
Sie wollen mehr über die Initiative JOBLINGE erfahren?
JOBLINGE | Mit uns geht Ausbildung
Sie wollen mehr über das soziale Engagement von Hays erfahren?
Soziales Engagement: Chancen schaffen, Talente entdecken