Generationen: Vielfalt als Chance
Von der Gen Z bis zu den Babyboomern stehen heute vier unterschiedliche Generationen gleichzeitig im Berufsleben. Das macht Teambuilding, Führung und Personalentwicklung zur Herausforderung – doch der Mix aus Alt und Jung birgt für Unternehmen auch große Chancen.
2.400 Expertinnen und Experten mit zusammen mehr als 50.000 Jahren Berufserfahrung – ein beeindruckender Talentpool, den sich vermutlich viele Unternehmen gerade wünschen. Noch dazu, wenn es sich dabei durchweg um berufs- und lebenserfahrene Profis handelt, die sich bestens im Unternehmen auskennen und vom ersten Tag an voll einsatzfähig sind. Für Bosch in Stuttgart kein Problem: Seit mehr als 20 Jahren setzt das innovative Technologieunternehmen Beschäftigte im Ruhestand zeitlich befristet für unterschiedlichste Projekte ein und kann so zum Beispiel Personalengpässe überbrücken, Auftragsspitzen abfedern oder kurzfristig auf Spezialwissen zugreifen.
Höhere Erwerbsbeteiligung
Eine sinnvolle Personalstrategie, findet Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB in Nürnberg, denn vielerorts fehlen Fachkräfte. Mit dem Eintritt der geburtenstarken Generation der Babyboomer ins Rentenalter verschärft sich die Situation: „Bis 2035 geht die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte um sieben Millionen zurück, wenn es nicht irgendwie gelingt, das auszugleichen“, sagt der Leiter des Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen am IAB. Das Fachwissen, die Sozialkompetenz und die Berufserfahrung älterer Menschen länger zu nutzen, hält der Professor für Empirische Ökonomie für einen wirksamen Hebel im Kampf gegen den demografisch bedingten Fachkräftemangel – schon allein deshalb, weil es so viele sind. „Hätten die über 60-Jährigen eine Erwerbsquote wie die heute fünf Jahre Jüngeren, wären damit knapp 2,5 Millionen Arbeitskräfte gewonnen“, rechnet er vor.
Altersgerechte Entwicklungschancen
Der Haken an der Sache: Zwar ist die Erwerbsbeteiligung der älteren Generation in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. Doch es gibt noch Luft nach oben. So schmälert unzureichendes Wissen rund um Hinzuverdienstmöglichkeiten, Steuern und Sozialabgaben oftmals das Interesse an einer fortgesetzten Beschäftigung im Rentenalter. Laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) wünscht sich mehr als jedes fünfte Unternehmen mehr Aufklärung und flexiblere Regelungen für den Einsatz von Seniorkräften. Darüber hinaus fehlen vielerorts betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten auch für ältere Beschäftigte. „Unternehmen sollten passende Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme nicht nur zu Beginn der Karriere anbieten, sondern auch für die letzten 15 Jahre des Berufslebens“, sagt IAB-Forscher Enzo Weber. Dank fortschreitender Digitalisierung gebe es künftig in vielen Branchen immer mehr Jobs, die ältere Menschen auch ohne besondere Kraftanstrengung flexibel und in Teilzeit ausüben könnten.
© Dmytro Zinkevych
Der gesammelte Erfahrungsschatz von Alt und Jung birgt für Unternehmen große Chancen
Altersneutrale Unternehmenskultur
Ob die Arbeit auch mit 50 oder 60 Jahren noch Freude bereitet, ist nicht zuletzt eine Frage der Kultur. Auch wenn sich viele Unternehmen in puncto Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, ethnische und soziale Herkunft oder physische und mentale Gesundheit bereits um mehr Diversität bemühen, hätten viele das wichtige Thema Altersdiversität und Altersdiskriminierung nicht ausreichend im Blick, sagt die Beraterin und Buchautorin Irène Kilubi. Stattdessen sei der Generationenvergleich noch immer geprägt von Klischees wie „alt und unbeweglich“ oder „jung und naiv“. So würden oftmals schon 50-Jährige – also Menschen in der Mitte ihres Lebens – als „zu alt“ abgestempelt, sei es für die interne Talentförderung, das innovative Entwicklungsprojekt oder den Quereinstieg in einen gefragten neuen Beruf. Aber auch die ältere Generation zeige zum Teil wenig Verständnis für vermeintliche Luxuswünsche jüngerer Kolleginnen und Kollegen wie Sabbaticals, Remote Work oder flexible Arbeitszeiten.
Austausch auf Augenhöhe
Für das produktive Miteinander der Generationen sind Vorbehalte und Vorurteile zwischen Alt und Jung nicht besonders förderlich, findet Irène Kilubi. 2021 hat sie deshalb die Non-Profit-Initiative Joint Generations gegründet. Mit verschiedenen analogen und digitalen Formaten will die promovierte Wirtschaftsingenieurin den generationsübergreifenden Austausch fördern und den Blick stärker auf die Gemeinsamkeiten lenken (siehe Interview). Neben Trainings oder Workshops bietet ihre gemeinnützige Organisation beispielsweise auch eine Reverse-Mentoring-App für altersgemischte Tandems an, bei denen die Jungen den Alten auf Augenhöhe begegnen. „Wichtig ist miteinander zu reden und nicht übereinander“, sagt die Unternehmerin.
Gemeinsam erfolgreich
Ähnlich sieht das auch Florentina Fuchs: „Es gibt keine ‚bessere‘ oder ‚schlechtere‘ Generation, wir brauchen uns alle gegenseitig, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel oder die demografische Entwicklung erfolgreich zu bewältigen“, sagt die 27-Jährige, die bei der Deutschen Bank im Bereich Talent & Development arbeitet. Unternehmen benötigen den Erfahrungsschatz und die unterschiedlichen Perspektiven aller Generationen, um innovativ, wettbewerbsfähig und attraktiv zu bleiben. Für Bosch scheint das Zusammenspiel von praktischer Erfahrung und frischen Ideen jedenfalls aufzugehen. Das deutsche Unternehmen gehört in Sachen Patentanmeldung zu den Top 10 der Welt – und schneidet in Arbeitgebendenrankings regelmäßig sehr gut ab.
„Altersdiskriminierung geht in beide Richtungen“
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© Thomas Dashuber |
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Beim Thema Diversity denken viele sofort an Geschlecht oder sexuelle Orientierung. Ist Altersdiskriminierung tatsächlich ein Thema für Unternehmen?
Ja, Unternehmen wollen und müssen sich des Themas annehmen, allerdings wissen viele nicht wie. Das Alter ist nämlich kein so offensichtliches Diskriminierungsmerkmal wie zum Beispiel die Hautfarbe oder das Geschlecht. Es ist also viel schwieriger festzustellen, ob und wo eine Benachteiligung stattfindet, nur weil jemand zum Beispiel 55 oder 25 Jahre alt ist.
Ist denn eher die ältere oder jüngere Generation benachteiligt?
Altersdiskriminierung geht in beide Richtungen und kann auch jüngere Menschen treffen. In konservativen Unternehmen gibt es beispielsweise oft keine jungen Führungskräfte. Junge Leute dürfen ihre Ideen nicht einbringen und ihre Bedürfnisse werden nicht ernst genommen. Ein Sabbatical oder Remote Work müsse man sich „erstmal verdienen“, heißt es dann zum Beispiel. Tendenziell sind in der heutigen Arbeitswelt allerdings eher die älteren Jahrgänge von Diskriminierung betroffen. Personalentwicklung findet zu einseitig am Anfang der Karriere statt. Ab 50 ist man oft schon „zu alt“ für einen neuen Job, eine Weiterbildung oder einen Gründerwettbewerb. Absurd, wenn man bedenkt, dass wir heute 100 Jahre alt werden können.
Wo können Unternehmen konkret ansetzen, um Altersdiskriminierung zu verhindern?
Vermeintliche Kleinigkeiten können bereits viel bewirken. Wer beispielsweise auf der Website oder in Stellenanzeigen schreibt „Wir sind ein junges, dynamisches Team“, schließt Ältere damit aus. Auch im Kommunikationsverhalten gibt es ausgeprägte Generationsunterschiede. Die Gen Z liebt es kurz und prägnant, Babyboomer wollen dagegen mehr Information und Kontext und lesen auch E-Mails mit Anhang. In Beratungsprojekten empfehle ich oft, die Kommunikation im Unternehmen zu analysieren und gemeinsam festzulegen: Welchen Kanal nutzen wir für was? Es gibt nicht die eine Maßnahme für mehr Diversity, aber viele wichtige Stellschrauben.
Lohnt sich die Mühe?
Ja, Altersdiversität ist nicht nur ethisch korrekt. Der Erfahrungsschatz, das Wissen und die unterschiedlichen Perspektiven mehrerer Generationen bringen Unternehmen auch wirtschaftlichen Mehrwert. Eine Mischung aus Erfahrung und frischen Ideen ist der Schlüssel zum Erfolg.
Du bist mehr als eine Zahl. Warum das Alter keine Rolle spielt
In Wirtschaft und Gesellschaft tobt ein Generationenkonflikt: Faul, nicht belastbar, unzuverlässig – so das Urteil vieler Älterer über die GenZ. Die Jüngeren wehren sich gegen die Überheblichkeit der Boomer, die sie oft als arrogant, übergriffig und besserwisserisch erleben. Schluss mit diesen Stereotypen, fordert die Coachin, Beraterin, Speakerin und Diversity-Expertin Irène Kilubi. Sie plädiert stattdessen für ein generationenübergreifendes Miteinander in Unternehmen und im sozialen Alltag. Und liefert in ihrem Buch persönliche Einblicke und Erfahrungen, wie wir generationenübergreifend und vorurteilsfrei zusammenarbeiten und voneinander lernen können.
Erscheint Februar 2024
ca. 260 Seiten
Flexcover
25,00 Euro (D) / 25,70 Euro (AT)
ISBN: 978-3-86774-789-9
Auch als E-Book erhältlich
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