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13.11.24
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Unternehmen & Märkte

Fachkräftesicherung nicht aus den Augen verlieren!

Prof. Dr. Michael Hüther
© IW Köln

Prof. Dr. Michael Hüther gilt als Ökonom, der sich nicht strikt in das Schema von Angebots- und Nachfragetheorie pressen lässt. Vielmehr legt der IW-Direktor immer dann den Finger in die Wunde, wenn es um strukturelle Probleme in Deutschland geht, die einer dringenden Reform bedürfen. Anlässlich der aktuellen Ausgabe des Hays-Fachkräfte-Index, der die Fachkräfteentwicklung im dritten Quartal beschreibt, haben wir ihn zu der scheinbar widersprüchlichen Nachfragesituation auf dem Fachkräftemarkt befragt.

Herr Professor Hüther, die neueste Ausgabe des Hays-Fachkräfte-Index zeigt: Die Nachfrage nach Fach- und Führungskräften bricht das zweite Quartal in Folge nochmals deutlich und branchenübergreifend ein (um sechs Prozentpunkte zum Vorquartal) und befindet sich damit auf dem niedrigsten Wert seit Q4/2021. Wie ist das zu bewerten?

Auf den ersten Blick scheint es paradox: Die Nachfrage nach Fach- und Führungskräften bricht ein, gleichzeitig sprechen wir von einem Fachkräftemangel. Der derzeitige Rückgang der Nachfrage liegt an der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung, ist also nur ein kurzfristiger Effekt. Mit dem Aufschwung, den wir frühestens im neuen Jahr erwarten können, wird auch die angespannte Fachkräftesituation wieder zurückkehren.

Riskieren die Firmen damit, wertvolles Fachkräftepotenzial an das Ausland zu verlieren?

Zuallererst: Auch wenn aktuell diverse Unternehmen Stellenabbau ankündigen und man immer wieder in den Medien davon liest, ist noch nicht ganz klar, wie der Stellenabbau umgesetzt wird. Wer früher in den Ruhestand geschickt wird, steht auch dem Ausland nicht mehr als Fachkraft zur Verfügung. Die Forschung zeigt außerdem, dass Abwanderungsentscheidungen ohnehin selten ausschließlich konjunkturbedingt getroffen werden. Viel wichtiger sind familiäre Gründe, das soziale Umfeld und andere private Beweggründe. Nichtsdestotrotz stehen Deutschland und das Ausland im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Wir müssen schneller werden in der Visavergabe und vor allem Bürokratie abbauen, um attraktiver für Fachkräfte, insbesondere für Akademiker, zu werden.

FKI Q3 2024 Der Hays-Fachkräfte-Index Q3 2024 zeigt: Die Stellengesuche sind im zweiten Quartal in Folge rückläufig. © Hays, 2024

In den wichtigen Fachbereichen Personal, Ingenieurswesen, IT und Life Science schrumpfen die Stellenausschreibungen drastisch. Was sagt das über die Innovationsbemühungen der Unternehmen aus?

Den Rückgang der Stellenausschreibungen in diesen vier Bereichen nehmen auch unsere Experten wahr. Doch klar ist: Selbst mit dem Rückgang bleibt der Fachkräftemangel. Im Ingenieurswesen und in der IT, zwei Bereichen, die für die wirtschaftliche und ökologische Transformation des Landes unerlässlich sind, ist die Zahl der offenen Stellen, die rechnerisch nicht besetzt werden kann, enorm hoch – in der IT sind wir ungefähr auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie. Der Rückgang ist konjunkturbedingt. Wenn die Wirtschaft wieder Kraft entwickelt und wächst, wird die Nachfrage genauso schnell steigen, wie sie momentan fällt. Solange in den Auftragsbüchern der Unternehmen noch Platz ist, sollten sie dringend notwendige Innovationen angehen.

Wie schlägt sich diese Abwärtsspirale Ihrer Ansicht nach auf die Entwicklung der Gehälter nieder?

Die Lohnentwicklung folgt der wirtschaftlichen Entwicklung mit Verzögerung. In den vergangenen Jahren haben wir stark steigende Löhne erlebt, auch die Tarifabschlüsse der jüngsten Vergangenheit waren üppig. Das lag auch an der Inflationsausgleichsprämie, die die Unternehmen gezahlt haben. Die schwache Konjunktur und die auslaufende Prämie werden das Lohnwachstum mittelfristig etwas dämpfen. Hochqualifizierte, die in Mangelberufen arbeiten, werden aber auch in Zukunft attraktive Angebote bekommen.

Geschäftsentwicklung für die kommenden drei Jahre: Wie kann angesichts dieses Nachfragerückgangs in Kombination mit dem demographischen Wandel überhaupt eine „gesunde“ Personalplanung für die kommenden Jahre verfolgt werden? Wie lautet Ihre Prognose angesichts der Tatsache, dass immer mehr Arbeit auf immer weniger Köpfe verteilt werden muss?

Keine Frage: Die Personalabteilungen in Deutschland haben eine schwierige Zeit vor sich. Sie müssen vorausschauend planen und die Fachkräfte finden, die in Zukunft dringend benötigt werden. Wenn die Babyboomer 2036 zum größten Teil im Ruhestand sind, wird die Situation auf dem Arbeitsmarkt besonders angespannt sein. Dann kommt es auf die gezielte Rekrutierung ausländischer Fachkräfte und auf die kluge Aus- und Weiterbildung von Nachwuchs an. Auch Quereinstiege werden mit Blick auf laufende Transformationsprozesse noch mehr an Bedeutung gewinnen und müssen durch passende Weiterbildungsangebote begleitet werden. All dies braucht Zeit. Unternehmen sollten die Fachkräftesicherung nicht aus den Augen verlieren und schon heute strategisch vorgehen.

 

Infokasten:

Prof. Dr. Michael Hüther ist Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) sowie Honorarprofessor an der EBS Business School in Oestrich-Winkel und Adjunct Professor an der Stanford University.

 

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Silvia Hänig
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