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26.06.24
12.06.24
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Zukunft & Innovation

Mit dem KI-Coach in der virtuellen Welt

Mit dem KI-Coach in der virtuellen Welt
© AdobeStock
Das Zwischenmenschliche bleibt in Zeiten von Remote Work und Video-Konferenzen oft auf der Strecke. Virtuelle Welten können das ausgleichen. Holger Fischer, Inhaber der Confidos Akademie und Experte für Blended Learning und den Einsatz von KI in der Weiterbildung, und Medienforscher Dirk Engel zeigen in ihrem Gastbeitrag die Chancen von virtuellen Lern- und Arbeitswelten.

Zurück ins Büro! So lautet gerade eine oft wiederholte Parole. Als Grund dafür nennen Vorgesetzte wie Beschäftigte unter anderem, dass der zwischenmenschliche Kontakt in Zeiten von Homeoffice und Video-Meetings zu kurz komme. Kein Wunder, sind virtuelle Meetings doch oft ermüdend, zu eng getaktet, zu sehr auf Effizienz getrimmt und selten spontan. Was das Arbeiten im Büro ausmacht, ist aber gerade die Spontanität – mal schnell bei einer Kollegin am Schreibtisch vorbeischauen, wenn man einen Rat braucht, oder der Plausch an der Kaffeemaschine.

Eine Lösung, wie man trotz Remote Work die informelle Kommunikation fördern kann, ist der Einsatz von virtuellen Welten. Das sind Online-Plattformen, auf denen Unternehmen eigene virtuelle Räume einrichten können, in denen sich ihre Beschäftigten mithilfe von Avataren frei bewegen. Diese virtuellen Welten gibt es sowohl in 3D-Optik und unter Einsatz von Virtual-Reality-Headsets (wie z. B. Meta Horizon Workrooms, World of VR oder Frame VR) als auch in grafisch einfachen 2D-Varianten (wie z. B. Gather.town, WorkAdventure oder Zep.us). Bei Letzteren ist die Hemmschwelle für viele Menschen geringer, außerdem erfordern sie nicht so viele technische Voraussetzungen, weshalb sie sich insbesondere für die alltägliche Büroarbeit eignen. Nähern sich zwei Avatare in so einer schwach immersiven Welt einander, erscheint das Video-Bild der eigenen Webcam und die Mikrofone werden aktiviert. Man kann also miteinander reden – ganz privat und ohne Meeting-Organisation. Die Funktionen der Konferenz-Tools stehen hier ebenfalls zur Verfügung, doch das Erlebnis ist viel persönlicher und unmittelbarer, wie viele Nutzer berichten. Aber es gibt ebenso hoch immersive VR-Lösungen für Workshops, Seminare, Trainings und Schulungen, die kontinuierlich verbessert werden. Welche Lösung hierbei gewählt werden soll, hängt vom jeweiligen Use Case ab.

Das Arbeiten und Lernen in virtuellen Welten bietet viele Chancen: Obwohl die Menschen in ihren eigenen vier Wänden sitzen und über die ganze Welt verstreut sein können, werden Distanzen abgebaut. Avatare können einen positiven Effekt auf unser Selbstwertgefühl haben, das zeigen psychologische Studien zum sogenannten „Proteus-Effekt“ . Außerdem fühlen wir uns den anderen in einer virtuellen Welt nahe, wie Matthias Hofer in seiner kommunikationswissenschaftlichen Übersicht „Presence und Involvement“ belegt. Die Arbeitgeber profitieren davon, weil selbst die Remote Worker mit ihren Kolleginnen und Kollegen zwanglos umgehen und somit eine bessere Bindung an das Unternehmen und seine Belegschaft aufbauen können.

Ein Meeting in der virtuellen Arbeitswelt Ein Meeting in der virtuellen Arbeitswelt am Beispiel von Gather.town © Confidos Akademie

 

Künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag

Keine Zukunftsmusik, sondern bereits Realität und eng mit virtuellen Welten (oder dem „Metaverse“, um ein gängiges Modewort zu verwenden) verbunden, ist der Einsatz von Tools mit künstlicher Intelligenz (KI) wie zum Beispiel Chat-Bots, die uns bei alltäglichen Aufgaben helfen. In einer virtuellen Arbeits- oder Lernwelt sind solche Bots selbstverständlich integriert, wir können mit ihren Avataren so umgehen wie mit Kolleginnen und Kollegen. Die Vorteile zeigen sich ganz klar in der Aus- und Weiterbildung. So unterstützen „KI-Coaches“, die mit dem Know-how der Dozentinnen und Dozenten trainiert wurden, Seminar-Teilnehmende dabei, Fähigkeiten einzuüben, Wissen zu sammeln, Inhalte zu lernen oder Antworten auf individuelle Fragen zu bekommen. Sie werden, nicht zuletzt durch die stetige Entwicklung der Large Language Models (LLM) wie z.B. ChatGPT 4o die Rolle der Dozentinnen und Dozenten zunehmend wandeln. Die Interaktion mit dem KI-Coach ersetzt zwar nicht den echten Trainer, sie verändert aber seine Rolle hin zum Lernbegleiter, der zwar weiterhin präsent ist, aber deutlich reduzierter als bisher. Der KI-Coach des Trainers ist dagegen rund um die Uhr verfügbar und wird im Lernpfad zur Unterstützung von Übungen sowie Aufgaben eingesetzt. Ein weiterer Vorteil ist der Transfer in die Praxis. Mit dem KI-Coach an der Seite ist es jederzeit möglich, Alltagssituationen (wie z. B. eine Konfliktsituation im Team) zu besprechen. Bei Bedarf kann darüber hinaus weiterhin der reale Trainer hinzugezogen werden. In welcher Form der KI-Coach zum Einsatz kommt, kann ganz unterschiedlich sein: von einer Cartoon-Version des Trainers in einer Lernplattform über einen 8-Bit Avatar bis zum real wirkenden Hologramm in einer hoch immersiven VR-Umgebung.

 

Präsentations-Trainer Peter Gerst

Ein KI-Coach als Comic-Avatar, basierend auf dem ganz realen Präsentationstrainer Peter Gerst (Confidos Akademie) © Confidos Akademie

 

Menschen mitnehmen und Ängste abbauen

Die größte Herausforderung derzeit ist die rasante Entwicklung, die in den Bereichen Digitalisierung und KI zu beobachten ist. Es vergeht keine Woche, in der nicht eine neue bahnbrechende Technik oder ein neues Tool veröffentlicht wird. Vieles, was heute noch umständlich oder unmöglich erscheint, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit in den nächsten Wochen oder Monaten selbstverständlich sein. Da ist es nicht einfach, auf dem Laufenden zu bleiben – weshalb viele sich überfordert fühlen und einige lieber mit den Themen gar nichts zu tun haben wollen. Das wäre allerdings die schlechteste Reaktion. Vielmehr sollten wir alle versuchen, vorurteilsfrei, aber kritisch die Möglichkeiten von virtuellen Welten und Künstlicher Intelligenz kennenzulernen und erste Erfahrungen zu sammeln. Hier können Awareness-Workshops in einem klassischen Präsenztraining ein erster wichtiger Schritt sein, um Ängste und Vorurteile abzubauen und sich somit beispielsweise dem Thema KI zu nähern. Ein weiterer guter Startpunkt ist es, Neues in einem kleinen Projekt auszuprobieren – zum Beispiel im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme oder eines Workshops. Diese können die gängigen Themen behandeln, die für viele Unternehmen relevant sind: Kommunikation, Präsentieren, Zeitmanagement, gesundes Arbeiten oder Ähnliches.

Was immer noch an technischer Innovation kommen mag: Es ist hilfreich, wenn alle im Unternehmen, vom CEO bis zum Azubi, offen für Neues sind, ohne gleichzeitig die ethischen und rechtlichen Aspekte aus den Augen zu verlieren. Die viel beschworenen Future Skills wie Kreativität, technologische Anpassungsfähigkeit, Improvisation, Lernbereitschaft, ethische Reflexion, soziale Verantwortung, um nur einige Schlüsselqualifikationen zu nennen, sind schon heute mehr als relevant und sollten im Kontext von Lernen und Arbeiten mit KI und VR noch stärker in den Fokus rücken.

Fest steht: KI und Virtual Reality (VR) werden fast alle Branchen und ebenso Berufsbilder binnen weniger Jahre deutlich verändern. Deshalb sollte man von Anfang an versuchen, auf dem Laufenden zu bleiben und die dahinter liegenden gesellschaftlichen Dynamiken zu verstehen. Dazu gehören die immer noch fortschreitende Individualisierung und der demografisch verursachte Fachkräftemangel. Zum anderen sollte man die Fähigkeit des Improvisierens einüben und nicht warten, bis das nächste, vermeintlich noch bessere Tool auf den Markt kommt. Es geht nicht darum, natürliche Intelligenz durch künstliche zu ersetzen, sondern unsere menschlichen Fähigkeiten sinnvoll zu erweitern. Was wir brauchen, ist eine hybride Intelligenz, die uns ermächtigt, souverän mit digitalen Werkzeugen in einer sich wandelnden Arbeitswelt umzugehen.

 

Buchtipp:

Hybrides Arbeiten und Lernen in virtuellen Welten © Springer Gabler Wiesbaden

Das Fachbuch "Hybrides Arbeiten und Lernen in virtuellen Welten" von Holger Fischer und Dirk Engel beleuchtet die wachsende Relevanz und die vielfältigen Aspekte des Arbeitens und Lernens in digitalen Umgebungen. Es diskutiert die Herausforderungen und Vorteile von Homeoffice, Remote Work und den Einsatz von Virtual Reality, Augmented Reality sowie dem Metaverse in der modernen Arbeitswelt. Durch praxisnahe Beispiele und Expertenberichte bietet das Buch wertvolle Einblicke und praktische Tipps für den erfolgreichen Einstieg in die Nutzung von virtuellen Welten zur beruflichen Weiterbildung und alltäglichen Arbeit.

Autoren: Holger Fischer / Dirk Engel
Springer Gabler Wiesbaden
ISBN 978-3-658-42432-9
eBook ISBN 978-3-658-42433-6
182 Seiten
96 Farbabbildungen
29,99 € (E-Book)
37,99 € (Print)
Zu DOI
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