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29.11.23
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Unternehmen & Märkte

Diversity Recruiting: nicht immer bequem, aber unentbehrlich

Unterschiedliche Hände halten bunte CVs hoch
© Abscent Vector

Fachkräftenot und demographischer Wandel sind längst bekannte Phänomene. Dennoch reagieren nur die wenigsten Personalverantwortlichen bisher mit einer engagierten diversen Talentsuche darauf. Warum es dringend notwendig ist, gezieltes Diversity Recruiting zu betreiben und wie man darüber seinen Talentpool aufstocken kann, zeigt unser Beitrag auf.

In Deutschland ist der demographische Wandel längst Realität: Die Zahl der jüngeren Menschen nimmt ab, während die Anzahl älterer Menschen steigt. Trotz dieser Tatsache bleiben viele Potenziale ungenutzt. So ließen sich zum Beispiel rund vier Millionen zusätzliche Arbeitskräfte aktivieren, wenn Menschen mit Migrationsgeschichte, Teilzeitbeschäftigte oder ältere Arbeitnehmende besser in den Arbeitsmarkt eingebunden würden.

Obwohl diese Zielgruppen hervorragende Qualifikationen mitbringen, haben viele Unternehmen immer noch keine klare Strategie entwickelt, um ihr Personalwesen auf sie auszurichten. Laut dem Diversity Recruiting Report von Indeed, Glassdoor und dem ifo Institut geben nur 25 Prozent der 554 befragten Personalverantwortlichen an, bereits erste Maßnahmen zur Ansprache vielfältiger Zielgruppen ergriffen zu haben. Noch erstaunlicher: Lediglich 22 Prozent der Befragten geben an, dass Vielfalt überhaupt eine Rolle bei der Gewinnung von neuen Mitarbeitenden spielt.

Dabei ist längst aus zahlreichen Studien bekannt, wie wichtig vielfältige Teams für die Innovationskraft von Unternehmen sind und wie bereichernd sie für die Unternehmenskultur und das Arbeitsklima sein können. Unternehmen, die die Potenziale dieser vielfältigen Zielgruppen erschließen und gezielt in ihr Recruiting integrieren, können nicht nur von einer breiteren Talentbasis profitieren, sondern auch von einer vielfältigeren und dynamischeren Arbeitsumgebung, die die Kreativität und Entscheidungsqualität fördert. Dies sollte eine Anregung für Unternehmen sein, verstärkt in Diversity Recruiting und eine vielfältige Belegschaft zu investieren.

Unbewusstes Ausschließen bestimmter Bewerbendengruppen

Ursachen für die scheinbar halbherzige Umsetzung gibt es einige. „Mit dem Fokus auf bestimmte Bewerbendengruppen wie Frauen in Teilzeit oder Young Professionals verkleinern Unternehmen von Anfang an schon die Menge an Kandidatinnen und Kandidaten, die sie ansprechen möchten“, weiß Christine Krieger, international erfahrene Personalstrategin und Expertin für Employee Lifecyle Management und Future of Work. Am nötigen Willen scheint es aber auch nicht zu liegen. „Unternehmen sind oft der Meinung, dass sie chancengerecht einstellen“, sagt Kathrin Weichel, Beraterin Diversity & Inclusion bei Hays. Ein Blick in die Formulierung einer Stellenanzeige zeigt dann aber oft das Gegenteil. Mit völlig überladenen Kompetenzanforderungen suchen die meisten Personalabteilungen immer noch nach den idealtypischen Bewerbenden, also nach der vielzitierten „eierlegenden Wollmilchsau“. Zwar haben die meisten bereits die geschlechtliche Differenzierung nach „männlich, weiblich, divers“ übernommen. Aber andere ebenso wichtige Merkmale für ein Diversity Sourcing, wie reduzierte oder flexible Arbeitsmöglichkeiten, fehlen. Viele Positionen werden nach wie vor in Vollzeit ausgeschrieben. Was einer automatischen Ausgrenzung von Müttern, Vätern, Pflegenden oder anderen Personen in Teilzeit gleichkommt. Auch Menschen mit Migrationsgeschichte fühlen sich bei einer Stellenausschreibung, die nicht explizit nach „Internationalität“ verlangt, nicht angesprochen.

Integratives Mindset statt Gen-Z-Fokus

Um ihre Bereitschaft zur Aufnahme dieser Bewerbendengruppen zu verdeutlichen, sollten Personalverantwortliche in ihren Stellenausschreibungen anbringen, dass sie ein starkes Interesse an Bewerbungen von Teilzeitkräften, Personen mit Migrationsgeschichte oder Menschen mit Behinderung haben. Darüber hinaus sollten sie ihr Wording anpassen. Denn von einer Stellenanzeige, die „analytische“ oder „durchsetzungsstarke“ Führungskräfte sucht, fühlen sich deutlich mehr Männer angesprochen als Frauen, die eher auf Eigenschaften wie „kommunikationsstark“ und „empathisch“ anspringen.

Und anstatt sich ausschließlich auf ein Anforderungsprofil mit möglichst vielen Kompetenzen zu konzentrieren, sollten HR-Verantwortliche überlegen, über welche Attribute sie konkret den Kreis der Bewerbenden erweitern und damit möglicherweise gleichzeitig unbewusste Vorurteile (unconscious bias) überwinden können. „Um den Talentpool zu erweitern, sind Unternehmen gut beraten, wenn sie beispielsweise Werte wie Vielfalt und Fairness oder ein integratives Mindset transportieren“, weiß Kathrin Weichel aus ihrer Beratungspraxis. Dabei sollte man dann allerdings darauf achten, dass Wunsch und Wirklichkeit auch wirklich kompatibel sind. „Auf vielen Karriere-Seiten präsentieren sich Unternehmen als so cool und hipp, dass sich eine 40-jährige Person schon nicht mehr angesprochen fühlt.“ Auch Christine Krieger beobachtet, wie sich Unternehmen bei der ausschließlichen Ansprache von Gen Z schnell verrennen: „Anstatt nur auf Gen Z zu schielen, sollte das eigene kulturelle Profil herausgearbeitet werden.“

 

Christine Krieger
© privat
Christine Krieger, Personalstrategin und Expertin für Employee Lifecycle Management und Future of Work
Kathrin Weichel
© PicturePeople
Kathrin Weichel, Diversity & Inclusion Consultant bei Hays
Sandra Raudies
© Deutsche Bank AG
Sandra Raudies, Executive Diversity Talent Engagement Strategist bei der Deutschen Bank

 

Die Lebenssituation der Bewerbenden berücksichtigen

Dass es auch anders geht, beweist das Beispiel der Ulmer Digital- und IT-Strategieberatung Mesakumo: „Bei unseren Neueinstellungen berücksichtigen wir gezielt die Lebenssituation der jeweiligen Bewerbenden“, so der Geschäftsführer Richard Ritz. Die 20-köpfige Beratung hat sich Gender und Age Diversity im Recruitment-Prozess auf die Fahnen geschrieben und richtet ihr Active Sourcing penibel daran aus. „Über die direkte Ansprache fähiger Fachkräfte aus ganz unterschiedlichen Alterskohorten und Lebensphasen erhalten wir eine sehr hohe Response Rate.“ Diese Rechnung scheint aufzugehen. Denn allein aus dem Grund, dass Ritz und sein Team darauf Rücksicht nehmen, wie jemand im Privatleben eingebunden ist, hat das Unternehmen schon viele wertvolle IT- und Digitalexpertinnen und -experten zwischen 20 und 60 Jahren anheuern können. „Dass Diversity Recruiting nicht funktioniert, stimmt einfach nicht. Es sollte nur aktiv gesteuert werden“, ist der Unternehmer überzeugt. Eine ähnlich große Sensibilität in puncto Diversity Recruitment – wenn auch ein paar Nummern größer – legt die Deutsche Bank an den Tag. „Gespräche, Feedback und alle Arten von Interaktionen prägen die Erfahrung am Arbeitsplatz und damit das Gefühl von Wertschätzung und Akzeptanz. Dies beachten wir bereits im Rekrutierungsprozess, der sich durch Chancengleichheit, Verlässlichkeit und Vertrauen auszeichnet“, so Sandra Raudies, Executive Diversity Talent Engagement Strategist bei der Deutschen Bank.

Kulturelle Passung muss stimmen

Mit dem reinen Diversity Recruiting ist es allerdings noch lange nicht getan. Wer dauerhaft seine Innovationskraft, Profitabilität und Problemlösungskompetenz durch eine vielfältige Personalstruktur stärken will, bedarf auch eines entsprechenden kulturellen Nährbodens, um die sorgfältig rekrutierten Talente langfristig zu binden. Das bedeutet eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die offen, respektvoll, wertschätzend und tolerant ist. Darauf zahlen Maßnahmen wie Mitarbeitenden-Netzwerke oder Fokusgruppen ebenso ein wie Wellbeing-Angebote oder eine barrierefreie Arbeitsumgebung. Gerade in Zeiten, in denen Mitarbeitende verstärkt wechselbereit sind und sich jederzeit in ihren Arbeitsvorstellungen bestätigt wissen wollen, sollten Unternehmen darauf achten, dass Diversity nicht zu einem leeren Versprechen auf der Karriere-Website verkommt. Im Gegenteil. Sie müssen herausfinden, wie das Selbstverständnis eines jeden Mitarbeiters und einer jeden Mitarbeiterin täglich adressiert und gestärkt werden kann.

 

Was ist Diversity Recruiting?

Es geht darum, im Bewerbungsprozess die menschliche Vielfalt als Potenzial für neue Mitarbeitende und als Chance zu sehen, in Zeiten des Fachkräftemangels den eigenen Talentpool zu erweitern. In Anlehnung an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden bei der Rekrutierung die folgenden Dimensionen von Vielfalt unterschieden: Das Geschlecht, die ethnische und soziale Herkunft, das Alter, die physische und psychische Gesundheit, die Religion oder Weltanschauung sowie die sexuelle Identität.

 

5 Best Practises für eine vielfältige Personalstruktur

  1. Grundlegende Aufklärung über die gelebte Diversity

    Es ist entscheidend, dass das HR-Management bei der Implementierung von Diversity Recruiting auf mögliche Ängste oder Vorbehalte seitens seiner Mitarbeitenden eingeht. Das gilt insbesondere dann, wenn Geschäftsbereiche wachsen und eine vielfältige Personalstruktur aufweisen. Um möglichen Ängsten direkt zu begegnen sollten Unternehmen kommunizieren, welchen Stellenwert Diversity & Inclusion in ihrem Werteversprechen hat und wie es gelebt wird. Hier ist es wichtig, dass fachliche Vorgesetzte diese Werte entsprechend in ihre Teams kommunizieren und eine offene Feedbackkultur pflegen.

  2. Unconscious-Bias-Schulungen, um unbewusste Vorurteile zu überwinden

    Unbewusste Vorurteile im Einstellungsprozess wurden in zahlreichen Studien als die Hauptursache identifiziert, warum qualifizierte Menschen trotz geeigneter Qualifikationen im Bewerbungsprozess benachteiligt werden. Daher sollten alle Beschäftigten im Unternehmen, die am Bewerbungsmanagement beteiligt sind, regelmäßig Unconscious-Bias-Trainings durchlaufen. Diese Schulungen ermöglichen es ihnen, ihre unbewussten Vorurteile gegenüber bestimmten Bewerbendengruppen zu erkennen und sich für eine breitere Vielfalt zu öffnen.

  3. Kompetenzbasiertes Bewerbungsverfahren

    Hier handelt es sich um eine Methode, die in der Personalauswahl und -bewertung verwendet wird. Dabei wird der Schwerpunkt auf die persönlichen Fähigkeiten und Kompetenzen von Bewerbenden gelegt, anstatt nur auf traditionelle Qualifikationen wie Abschlüsse oder Berufserfahrung. Ziel eines solchen Verfahrens ist es, die bestmögliche Übereinstimmung zwischen den Fähigkeiten der Bewerbenden und den Anforderungen der Position sicherzustellen.

  4. Karriereseiten auf stimmiges Gesamtbild prüfen

    Um sicherzustellen, dass die eigene Karrierewebsite eine inklusive und vielfältige Arbeitsumgebung widerspiegelt, sollte sie kontinuierlich auf folgende Aspekte überprüft werden:

    • Einsatz einer inklusiven und gendersensiblen Sprache
    • Darstellung von Menschen aus verschiedenen ethnischen, kulturellen und altersbezogenen Hintergründen sowie mit unterschiedlichen Geschlechtern und Fähigkeiten
    • Hervorhebung verschiedener Karrierewege von Mitarbeitenden
    • Barrierefreiheit von Arbeitsumgebungen und Tools hervorheben, sofern vorhanden
    • Hinweis auf Diversitätsinitiativen und -ziele
  5. Diskriminierungsfreie Stellenausschreibungen

    Bei der Formulierung von Stellenausschreibungen sollte stets darauf geachtet werden, dass niemand unbewusst ausgeschlossen wird. Hier einige Beispiele:
    Statt „Ein hoch qualifizierter Verkäufer mit Verhandlungsgeschick“ könnte man formulieren: „Eine hoch qualifizierte Verkaufskraft mit ausgezeichneten Verhandlungsfähigkeiten“. Diese Formulierung schließt niemanden aufgrund des Geschlechts aus. Statt „Diese Stelle erfordert regelmäßige Reisetätigkeiten und unregelmäßige Arbeitszeiten“ könnte man formulieren: „Diese Position erfordert gelegentliche Dienstreisen und flexible Arbeitszeiten“. Dadurch wird vermieden, Mütter oder Väter aufgrund familiärer Verpflichtungen auszuschließen. Es ist ratsam, Stellenausschreibungen stets auf geschlechtsneutrale Formulierungen zu überprüfen und die Offenheit gegenüber neuen Bewerbendengruppen zu betonen.

 

Wie Hays sich für Equity, Diversity und Inclusion einsetzt:

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Sie wollen Diversity & Inclusion auch in Ihrer Organisation verankern? Wir stehen Ihnen dabei gern mit unserem Beratungsangebot zur Seite:

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Silvia Hänig
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