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29.11.22
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Unternehmen & Märkte

Eine Frage der Kultur

Verschiedenste Menschen sitzen am Tisch und sprechen über Unternehmenskultur
© Shutterstock (REDPIXEL)
Was innovative Unternehmen anders machen. Und was Mittelständler von Start-ups lernen können.

„Innovativ“ dürfte inzwischen der am meisten missbrauchte Begriff in der Arbeitswelt sein. Innovativ, das ist vermeintlich ja alles – wenn auch nicht unbedingt alles erfolgreich ist. Doch wenn man Barbara Siegert, Partnerin beim Beratungsunternehmen Munich Strategy, fragt, dann zeigt sich, dass es für Innovation durchaus Erfolgsfaktoren gibt. „Der Kern ist die Unternehmenskultur“, sagt sie. „Sie muss risikoaffin, offen und bereit für Veränderungen sein.“ Munich Strategy erstellt unter der Leitung von Siegert ein jährliches Ranking der 100 innovativsten Mittelständler Deutschlands. In das Ranking fließen Geschäftszahlen und verschiedene Innovationskriterien ein, ermittelt aus öffentlich zugänglichen Quellen und in Interviews mit den Unternehmen.

„Wenn eine Unternehmensleitung davor zurückschreckt, für eine Innovation einige Jahre Amortisierungszeit in Kauf zu nehmen, dann ist das eben nicht risikobereit“, verdeutlicht Siegert. Innovationen kosten zunächst Geld. „Wenn die für eine Innovation erforderliche Technologie nicht im Unternehmen vorhanden ist, aber die Angst vor einem Know-how-Abfluss an ein externes Netzwerk überwiegt, dann ist das nicht offen“, so Siegert weiter. Und wenn intern keine Bereitschaft existiert, für eine Innovation bestehende Herangehensweisen über Bord zu werfen, dann mangelt es an Veränderungsbereitschaft.

Bremsend wirkt auch die falsche Organisation. Gerade in einer Konzernstruktur kann etwa der Aufbau einer neuen Marke eine bestehende Marke bedrohen. Ein ungesundes Konkurrenzdenken ist dann womöglich die Folge. „Es bedarf daher eines finanziellen und organisatorischen Rahmens, um Innovationen zu verstetigen“, sagt Siegert. Zudem müssten Innovationen im Portfolio kontinuierlich überprüft werden. Passen sie noch ins Portfolio? Wie müssen sie weiterentwickelt werden? Wie wirken sie sich auf das Portfolio aus?

Wer innovativ sein will, muss wissen, was die Kundschaft bewegt

Doch die Kultur ist nicht alles, was passen muss. „Natürlich bedarf es für Innovationen auch eines tiefen Verständnisses, was die Anwenderinnen und Anwender möchten“, so die Beraterin. „Zudem muss, wer innovativ sein will, schnell und flexibel auf neue Anforderungen oder Trends reagieren können.“ Flexibilität sei dank kurzer Entscheidungswege eine Stärke des Mittelstands, „da sind die etablierten Unternehmen mit Start-ups auf Augenhöhe“, sagt Siegert. „Allerdings agieren Start-ups aufgrund ihrer Kultur oft deutlich schneller.“ Weil sie zum Beispiel risikoaffiner sind.

Es gibt aber auch externe Treiber der Innovation. Die Corona-Pandemie war so ein Fall, bei dem sich besondere Chancen boten – zum Beispiel, indem Unternehmen ihre Technologie und ihr Know-how für schlagartig gefragte Geschäftsfelder wie etwa die Impfstoffproduktion und -logistik nutzen konnten. „Derzeit ist Nachhaltigkeit ein solcher Treiber“, sagt Siegert. „Dadurch entstehen ganz neue Bedürfnisse, was Unternehmen für sich nutzen können.“ Das Thema Daten ist zwar schon länger virulent, doch es bleibt ebenfalls ein Motor für Innovation – wenn zum Beispiel ein Geschäftsmodell nicht mehr auf dem Verkauf von Maschinen beruht, sondern auf dem Verkauf der bei der Nutzung anfallenden Daten.

Innovation ist Arbeit, nicht nur Kreativität

Laut Siegert sind Innovationen früher oft mit neuen Produkten verknüpft gewesen. Inzwischen lasse sich das nicht mehr so eindeutig sagen, weil gerade in der Industrie Innovationen „sich häufig auf Prozesse oder Geschäftsmodelle beziehen“.

Innovation ist also richtig Arbeit, nicht bloß Kreativität. Das spüren im Übrigen auch Unternehmen, die gemeinhin als innovativ gelten. Die Boston Consulting Group gibt ein regelmäßig aktualisiertes internationales Ranking der innovativsten Konzerne heraus. Dabei stellten die Beraterinnen und Berater fest, dass selbst innovative Unternehmen immer wieder damit zu kämpfen haben, ihre PS auf die Straße zu bekommen.

Vier innovative Unternehmen und ihre Methoden

Portabler Handdrucker von Edding

© Edding AG

Edding Logo

Edding AG

Sitz: Ahrensburg
Gründungsjahr: 1960
Umsatz: 149 Millionen Euro
Mitarbeitende: 700
Branche: Büroartikel

Produkt:

Das Unternehmen hat sich mit Filzstiften, Markern und Sprays einen Namen gemacht. Als verbindendes Element dient hierbei der Markenfit und die Tintentechnologie.

Innovation:

Edding hat sich Anwendungsfelder erschlossen, die außerhalb der traditionellen Kernmärkte liegen, zum Beispiel Nagellack und Tattoo-Farben. Mit industrietauglichen Druckern für Zeichen, Logos, Bar- und QR-Codes erschließt sich Edding ein weiteres Geschäftsfeld. Ein anderes Beispiel sind elektrisch leitfähige Tinten für smarte Markierungen.

Innovationsmethoden:

Edding arbeitet mit agilen Methoden, etwa mit Scrum. Zu den eingesetzten Methoden gehören aber auch Design Thinking, konsumentenzentrierte Ansätze wie das Werkzeug Value Proposition Canvas oder für die Kommerzialisierung von Innovationen das Business Model Canvas, ein Framework für die Visualisierung und Strukturierung von Geschäftsmodellen.

 

Pizza Verdura von Followfood

© followfood GmbH

followfood GmbH Logo

followfood GmbH

Sitz:  Friedrichshafen
Gründungsjahr: 2000
Umsatz: 73 Millionen Euro
Mitarbeitende: ca. 40
Branche: Lebensmittel

Produkt:

Das Unternehmen produziert und vertreibt nachhaltige Lebensmittel. Es wächst seit Jahren zweistellig. Es brachte in Europa den ersten Thunfisch auf den Markt, der ohne Beifang gefischt wird, und ist Marktführer bei Biopizzen.

Innovation:

Es gibt einen Tracking-Code auf jeder Verpackung, um beim Kauf die Lieferquellen und Beschaffungswege der Produkte und der Bio-Zutaten online nachvollziehen zu können. Das Unternehmen nimmt damit eine Vorreiterrolle im Handel ein. 2021 wurde der Tracking-Code um die Ökobilanz des jeweiligen Produktes erweitert. Alle Produkte sind seitdem klimaneutral gestellt.

Innovationsmethoden:

klassische Markt- und Wettbewerbsanalysen

 

Gerät der Stocker GmbH

© Stockert GmbH

Stockert GmbH Logo

Stockert GmbH

Sitz: Freiburg
Gründungsjahr: 1985
Umsatz: ca. 25 Millionen Euro
Mitarbeitende: ca. 80
Branche: Medizintechnik

Produkt:

Das Unternehmen stellt Lösungen für die kardiale Hochfrequenzablation in der Elektrophysiologie her. Mit ihr lassen sich viele Formen von Herzrhythmusstörungen schonend und minimalinvasiv behandeln. Zudem produziert Stockert Systeme für die periphere Regionalanästhesie, durch die manche Vollnarkose bei Operationen überflüssig wird.

Innovation:

Stockert entwickelt nicht nur seine Produkte, sondern kümmert sich auch um die Zulassung auf allen Märkten. In der Medizintechnik sind Zulassungsverfahren aufwändig und langwierig. Nimmt bereits der Hersteller diese Hürde, haben Vertriebspartnerinnen und -partner enorme Vorteile.

Innovationsmethoden:

klassische Markt- und Wettbewerbsanalysen, sehr große Nähe zu Kundenunternehmen

 

Mitarbeiter der Sihl Gruppe

© Sihl Gruppe

Stockert GmbH Logo

Sihl Gruppe

Sitz: Bern, Düren, Tampa
Gründungsjahr: 1935
Umsatz: 160 Millionen Euro
Mitarbeitende: 400
Branche: Beschichtungstechnik/
Mediendruck

Produkt:

Sihl schafft hochwertige Beschichtungen für viele Anwendungen – von Automobil bis Tourismus, von Etiketten und Verpackung bis Druck und Logistik.

Innovation:

Durch Sihl können zum Beispiel Hersteller von Waren ihre Verpackungen selbst bedrucken. Dank funktionaler Verpackungsfolien und wasserbasierter Tinten lässt sich das auch in kleinen Stückzahlen wirtschaftlich realisieren. Zudem hat Sihl mit einem Technologiepartner ein Joint Venture gegründet: Perigon bietet technische Lösungen für die kostengünstige Produktion und Übertragung von Designs auf 3D-Objekte – etwa auf Flakons, Turnschuhe oder Kaffeemaschinen.

Innovationsmethoden:

Zur Entwicklung neuer Produkte für bestehende Märkte verwendet Sihl einen Stage-Gate-Prozess, der in mehrere Schritte unterteilt ist. An deren Ende wird stets kontrolliert, ob eine Fortsetzung des Innovationsprojekts sinnvoll ist. Für die Erschließung neuer Märkte setzt das Unternehmen auf die Methode Lean Startup, die auf einer Bauen-Messen-Lernen-Feedbackschleife basiert, und auf agile Prozesse.

 

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Michael Vogel
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