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20.03.24
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Arbeitswelt & Karriere

Was wir gegen Rassismus am Arbeitsplatz tun können

Ellen Wagner
© Tamara Fleming Photography

Wer schon einmal rassistisches Verhalten beobachtet oder selbst erfahren hat, weiß, dass es gar nicht so einfach ist, in einer solchen Situation angemessen zu reagieren. Doch Ellen Wagner weiß Rat. Im Gespräch mit Think ahead erklärt die Anti-Rassismus-Trainerin und Diversity Coach, worin sich Rassismus in Unternehmen zeigt und was wir aktiv gegen Diskriminierung tun können.

Bei ausländerfeindlichen oder antisemitischen Parolen ist Rassismus leicht zu erkennen. Doch oft vollzieht sich Rassismus viel subtiler. Wo fängt er an?

Rassismus gibt es in unterschiedlichsten Ausprägungen und Formen: vom interpersonalen Rassismus, der sich zwischen Menschen vollzieht, über den internalisierten Rassismus, der sich in unseren eigenen Glaubenssätzen manifestiert, bis hin zum strukturellen Rassismus, der häufig leider auch unsere Institutionen prägt. Die subtilen Formen des Rassismus, die sogenannten Mikroaggressionen, zeigen sich insbesondere im interpersonalen Bereich. Zum Beispiel, wenn schwarzen Menschen ungefragt in die Haare gefasst wird, wenn Menschen aus einem anderen Land einfach geduzt werden oder wenn Formulierungen verwendet werden, die sich auf das „Othering“ beziehen: „Wo kommst du denn her?“, „Du sprichst aber gut Deutsch!“ Solche Äußerungen mögen gut gemeint sein, senden aber stets die gleiche Botschaft: Wir sind die Norm und du bist anders!

Worin zeigt sich Rassismus in Unternehmen?

Wenn ich mir die internationalen Konzerne anschaue, stelle ich fest: Die Vielfalt bzw. Diversity ist da. Doch es mangelt an Equity und Inclusion. In den USA gibt es innerhalb der Fortune-500-Unternehmen genau vier schwarze CEOs. Wo sind die People of Colour, wo die Menschen mit Migrationsgeschichte? Unter den Executives gibt es sie nicht, denn sie werden von diesen Positionen ausgeschlossen.

Eine Umfrage, die der Verein „Gesicht zeigen“ zusammen mit der Beratungsgesellschaft EY und dem Marktforschungsunternehmen Civey durchgeführt hat, zeigt: Fast ein Drittel der Beschäftigten in Unternehmen informiert bei rassistischen Vorfällen nicht sofort ihre Führungskraft. Warum nicht?

Wenn weiße Menschen blinde Flecken haben, weil sie aus ihrer privilegierten Position heraus gar nicht wissen, wie sich Rassismus anfühlt, dann nehmen sie Rassismus oftmals auch gar nicht als solchen wahr. Thematisiert man mit diesen Menschen Diskriminierungsfragen, reagieren sie häufig emotional und versuchen, die Dinge zu beschönigen („Das war doch gar nicht so gemeint!“) oder Schuld umzukehren („Sei doch nicht so empfindlich. Ich habe das N-Wort doch schon immer gesagt.“). Wer würde als Betroffener oder Betroffene nach einer solchen Reaktion noch einmal über Belästigung oder Diskriminierung sprechen wollen?

Was können Unternehmen tun, um dem entgegenzuwirken?

Eine inklusive Unternehmenskultur schaffen. Doch dazu müssen Unternehmen erst einmal üben, über unangenehme Themen zu sprechen, und dafür geschützte, von Expertinnen und Experten begleitete Räume einrichten: interne Anlaufstellen, Gesprächszirkel, Netzwerke oder auch einen Diversity Council, bei denen mein EEE-Prinzip verfolgt wird: educate – empower – engage! Dafür braucht es vor allem Dreierlei: die volle Unterstützung des Topmanagements und der Führungskräfte, den Mut, auch einmal Fehler zu machen, und vor allem Geduld. Denn eine inklusive Unternehmenskultur lässt sich nicht von heute auf morgen schaffen, sie muss über Jahre hinweg entwickelt werden.

Angenommen, ich werde selbst Opfer von Mikroaggressionen. Wie kann ich mich wehren?

Wer selbstbewusst und vor allem sicher genug ist, kann in einer Diskriminierungssituation auf bewährte Feedbackregeln zurückgreifen und das Gegenüber zum Beispiel mit folgenden Sätzen konfrontieren: „Das hast du gerade gesagt und das verletzt mich, denn diese Frage ist mir nicht nur heute gestellt worden und kommt bei mir so an, als wäre ich fremd. Mein Wunsch für die Zukunft wäre, diese Frage nicht mehr beantworten zu müssen.“ Aber nicht alle verfügen in einer solchen Situation über die Kraft, sich aktiv zu wehren. Ihnen rate ich, Räume zu suchen, in denen sie Menschen mit ähnlichen Erfahrungen treffen – um sich dann mit diesen auszutauschen und das Erlebte gemeinsam aufzuarbeiten.

Was kann ich tun, wenn ich rassistisches Verhalten in meinem Unternehmen beobachte?

Den Mund aufmachen und zeigen, dass hier gerade Diskriminierung stattgefunden hat! Dazu muss niemand in eine Diskussion gehen. Es reicht zum Beispiel völlig aus zu sagen: „Wie bitte? Ich habe den Witz nicht verstanden!“ Wer sich nicht sicher ist, ob eine Person Hilfe benötigt, kann einfach nur zu ihr hingehen und sie danach fragen – und dann gegebenenfalls Unterstützung anbieten, zum Beispiel als Zeuge oder Zeugin.

In manchen Situationen besitze ich vielleicht nicht den Mut oder die Geistesgegenwart, sofort zu reagieren. Und manchmal erkenne ich auch erst später, was eigentlich passiert ist. Was kann ich im Nachhinein tun?

Du kannst die Person, die diskriminiert hat, auch später noch ansprechen und sagen: „Mir ist im letzten Gespräch etwas aufgefallen. Darf ich dir dazu Feedback geben? So wie ich die Situation wahrgenommen habe, ist das und das passiert.“ Darüber hinaus kannst du für künftige Diskriminierungssituationen auch ein, zwei Sätze vorbereiten, die du entsprechend einübst. Zum Beispiel: „Das, was du da sagst, ist nicht in Ordnung!“

Wer sich gegen Rassismus einsetzt, kann auch mal belächelt werden. Welchen Tipp hast du für solche Situationen?

Durchstehen und ansprechen: „Ich habe das Gefühl, ich werde gerade belächelt, aber das ist nicht lustig!“ Hier gilt es, Position zu beziehen, auch wenn das mit ein paar Unannehmlichkeiten verbunden sein mag. Wenn man sich einmal für andere eingesetzt hat, dann fällt es in der nächsten Situation schon leichter. Es gibt kein persönliches Wachstum ohne Reibung.

Viele Menschen kennen Rassismus nicht aus eigener Erfahrung. Wie können sie ein Gespür für Mikroaggressionen entwickeln und diejenigen, die nicht so privilegiert sind, unterstützen?

Sie können Anti-Rassismus-Workshops besuchen, Minority-owned Businesses unterstützen, entsprechende Dokumentationen schauen oder sich mit einschlägigen Hörbüchern beschäftigen. Wer hört, liest und sieht, welche schmerzhaften Erfahrungen andere Menschen gemacht haben, der versteht und entwickelt eine entsprechende Sensibilität. Ally zu sein beschreibt keinen passiven Zustand, sondern ist mit dem Versprechen verbunden, aktiv zu sein.

Über Ellen Wagner

Ellen Wagner © Tamara Fleming Photography
 

Ellen Wagner ist eine erfahrene interkulturelle Trainerin, Autorin und Coach, die sich u.a. auf das Thema Diversity & Inclusion und hier insbesondere auf die Aspekte Anti-Schwarzer Rassismus und Queerfeindlichkeit spezialisiert hat. Die derzeit in den USA lebende Antidiskriminierungsexpertin trainiert, schult und befähigt Menschen und Unternehmen, Vielfalt zu verstehen und echte Inclusion zu leben. Ein weiterer Schwerpunkt ist die transatlantische Unterstützung von Expatriates während des Entsendungsprozesses durch interkulturelle Trainings, Empowerment-Workshops und Coaching.

Buchtipps:

Allen, die tiefer ins Thema eintauchen möchten, empfiehlt Ellen folgende Bücher:

  • Tupoka Ogette: Exit Racism: rassismuskritisch denken lernen. Unrast Verlag, 2019. ISBN-13: 978-3897712300 
  • Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus. Books on demand, 2018. ISBN-13: ‎978-3746006819
  • Emilia Roig: Why we matter – Das Ende der Unterdrückung. Aufbau Verlag, 2021. ISBN-13: 978-3351038472
  • Kübra Gümüşay: Sprache und Sein. Hanser Verlag, 2020. ISBN-13: ‎978-3446265950

 

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Alexandra Maier
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