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05.03.25
05.03.25
In 4 min gelesen
Unternehmen & Märkte

Know-how und Know-why müssen immer verbunden sein

HR-Report 2025
© Eigene Darstellung von Hays, Fotografen: alvarez, miniseries, nay, gorodenkoff, Lim Weixiang, SeventyFour

Nicht nur die grüne und digitale Transformation, sondern auch der demographische Wandel bringt tiefgreifende Veränderungen für viele Organisationen mit sich. Um diese Herausforderungen zu meistern, benötigen Beschäftigte neue Kompetenzen. Der Hays HR-Report 2025 widmet sich deshalb der zentralen Frage, wie Unternehmen den notwendigen Kompetenzwandel erfolgreich gestalten können – Think ahead sprach dazu mit dem renommierten Arbeitsforscher Hans Rusinek über die zentralen Ergebnisse.

Die grüne Transformation und die künstliche Intelligenz verändern Geschäftsmodelle grundlegend und stellen Mitarbeitende vor neue Qualifikationsanforderungen. Laut der Aussagen des HR-Reports 2025 tun sich aber Unternehmen noch schwer mit dem Thema Reskilling. Warum?

In der Arbeitswelt gibt es im Wesentlichen zwei Herangehensweisen. Die eine folgt bewährten Mustern: Unternehmen begegnen konventionellen Herausforderungen mit bekannten, erprobten Lösungsrezepten. Für inkrementelle Innovationen wird dann gelegentlich ein Beratungsprojekt aufgesetzt – ein minimaler Zusatzaufwand. Wenn es aber darum geht, Mitarbeitende fit für die Arbeit der Zukunft zu machen, greift diese Logik nicht mehr. Aufgrund der hohen Marktdynamik ändern sich Jobprofile in Windeseile. Es gibt also keine klare Richtung mehr, in die bestehende Konzepte einfach weitergedacht werden können.

Bezogen auf den Bereich der Weiterqualifizierung bedeutet das: Arbeitsbereiche und Kompetenzanforderungen wandeln sich durch Faktoren wie Künstliche Intelligenz und Demografie so rasant, dass klassische Lernansätze nicht mehr ausreichen. Unternehmen haben zwar Upskilling-Programme zur klassischen Weiterbildung im eigenen Job in der Schublade, aber kein Konzept für echtes Reskilling, also die Umschulung von Beschäftigten mit dem Ziel, andere Aufgaben und Tätigkeiten auf dem gleichen Qualifikationsniveau zu übernehmen.

Und genau hier liegt die größte Hürde: Umlernen ist ein kognitiver, aber auch emotionaler Kraftakt. Es bedeutet für Mitarbeitende oft Angst – vor Scheitern, Bedeutungsverlust oder Statusreduktion. Wenn zum Beispiel ein erfahrener Fahrzeugmechaniker und -techniker plötzlich lernen soll, wie er elektrische Antriebe wartet und repariert oder Batterien recycelt, kann das durchaus an Selbstverständnis und Karriereplänen rütteln. Viele Unternehmen ahnen diese Widerstände – und klammern sich daher an die vertraute fachliche Weiterqualifizierung (Upskilling). Dabei ist Reskilling die zentrale Strategie, um Mitarbeitende auf die Anforderungen eines schnelllebigen Arbeitsmarktes vorzubereiten.

Welche kulturellen Voraussetzungen benötigen Unternehmen, damit Reskilling überhaupt gelingen kann?

Know-how muss mit Know-why verbunden sein. Know-how bedeutet, eine Fähigkeit praktisch anwenden zu können. Doch ohne Know-why – also das Verständnis für den Sinn und Zweck dahinter – bleibt es bei der bloßen Anwendung. Mitarbeitende lernen dann vielleicht neue Methoden oder Tools, aber ohne innere Überzeugung und Motivation. Das ist in vielen Managementetagen leider nicht selbstverständlich. Denn nur allzu oft haben Mitarbeitende das Gefühl, dass sich der Wind beim nächsten neuen CEO wieder drehen könnte. Sie sind also weder motiviert noch vertrauen sie dem neuen Kurs, sich neue Fähigkeiten anzueignen. Kurz gesagt: Reskilling scheitert nicht daran, dass Menschen nicht lernen können, sondern daran, dass sie nicht wissen, wofür es sich lohnt bzw. welchem größeren Ziel die Umschulung dient. Dieses Mindset muss kulturell verankert sein, damit Reskilling gelingen kann.

Unternehmen setzen beim Upskilling, also der klassischen Weiterbildung, vor allem auf technologische und fachliche Fähigkeiten, während Social Skills kaum Priorität haben. Dabei geht es um Veränderung. Wie ist das aus Ihrer Sicht zu werten?

Ja, es stimmt: Beim Upskilling gehen Unternehmen häufig sehr technokratisch vor. Dabei benötigen sie eigentlich ein Tandem in der Weiterqualifizierung, das aus dem Know-how- und dem Know-why-Aufbau besteht. Man braucht nicht nur das Werkzeug, sondern auch die Idee vom Werk insgesamt. In meiner Beratungsarbeit erlebe ich immer mehr Führungskräfte, die fachlich geschult werden mit dem Resultat der Überforderung. Denn ihnen fehlt das Know-why. Jemand, der weiß, dass die künstliche Intelligenz Produktivität steigert, aber keine Idee davon hat, wie dieses Ziel auf sein Team wirkt, hat ein Problem. Denn dann kümmert sich beispielsweise niemand darum, ob Teams noch motiviert sind, wenn die KI Teile ihrer Arbeit übernimmt, oder ob sie noch Vertrauen in den neuen Geschäftsbereich haben, wenn sie den Fortschritt nicht mehr allein beeinflussen können. Deshalb ist es gerade in verantwortungsvollen Positionen entscheidend, diese Social Skills mitzuschulen.

HR-Report 2025 von Hays © HR-Report 2025 von Hays

Der Report hat herausgefunden, dass sowohl Re- als auch Deskilling, also der Prozess, bei dem die Fähigkeiten von Arbeitskräften an Relevanz verlieren, zum Beispiel durch technologischen Forschritt, weniger ein Teil der Unternehmensstrategie sind. Und das, obwohl sich ganze Arbeitsbereiche verändern und die menschliche Arbeitskraft teilweise zum Erfüllungsgehilfen der Technologie wird (z.B. wenn der IT-Administrator nur noch für die Fehlerbehebung zuständig ist). Wie erklären Sie sich das?

Mir fällt es schwer zu verstehen, warum man solche tiefgreifenden Veränderungen ohne eine strategische Dimension verfolgen sollte. Ich kann mir das nur so erklären, dass hier in Unternehmensbereichen, wie zum Beispiel dem Kundenservice, an Einzellösungen herumgedoktert wird, um erste Erfahrungen damit zu sammeln, was passiert, wenn die künstliche Intelligenz ganze Teile der eigentlichen Arbeitsleistung übernimmt. Dennoch bleibt ein strategisches Vakuum.

Die meisten Befragten gehen davon aus, dass die Budgets – auch für Reskilling – gleichbleiben. Gleichzeitig sehen 35 Prozent die Kosten als große Herausforderung. Was bedeutet das für die Learning & Development-Abteilung, wenn viele Mitarbeitende umgeschult werden müssen?

Hier zeichnet sich ein spannendes Paradox ab. Denn eigentlich müsste es uns überraschen, wie wenig in Learning & Development investiert wird, zumal viele Unternehmen in der Mehrheit Wissensarbeiter beschäftigen. Aber der Grund für dieses Verhalten ist menschlich. Unternehmen haben Angst, dass gut ausgebildete Mitarbeitende die Firma wieder verlassen, daher versuchen sie diese an sich zu binden, ohne sie entsprechend weiterzubilden. Man spricht hier vom „Talent Hoarding“. Andererseits zeigen viele Studien auch, dass „Talent Hoarding“ zwar kurzfristig rational ist, mittelfristig allerdings schon nicht mehr. Wer gehen will, geht mit oder ohne Umschulung. Aber diejenigen, die in den Genuss des Reskillings gekommen sind, berichten davon. Und belohnen den Ex-Arbeitgeber mit einer guten Reputation. „Talent Builder“ sind also langfristig besser aufgestellt als „Talent Hoarder“.

 

Bedeutung der unterschiedlichen Skilling-Formen

Up-Skilling meint die klassische, oft aufstiegsorientierte Weiterbildung unter Erweiterung vorhandener Kenntnisse im gleichen Tätigkeitsbereich, bspw. Schulungen zu IT-Anwendungen.

Re-Skilling ist die Umschulung von Beschäftigten zur Erlangung neuer Fähigkeiten, um andere Aufgaben und Tätigkeiten auf dem gleichen Qualifikationsniveau zu übernehmen, bspw. eine Umschulung vom Übersetzer zum Online-Redakteur.

De-Skilling erfolgt durch technologische oder organisatorische Veränderungen, in deren Folge die bisherigen Kompetenzen der Beschäftigten durch Digitalisierung oder Automatisierung übernommen werden und sie selbst niedriger qualifizierte Tätigkeiten ausführen.

 

Dr. Hans Rusinek © Holtgreve

Zur Person Hans Rusinek

Der Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph Dr. Hans Rusinek forscht und lehrt an der Universität St. Gallen zum Wandel der Arbeit, arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und Executive Coach und engagiert sich als Fellow im ThinkTank30 des Club of Rome Deutschland. Zudem beteiligt er sich publizistisch an Debatten zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, wofür er 2020 den Förderpreis für Wirtschaftspublizistik der Ludwig-Erhard-Stiftung bekam. 2023 erschien im Herder Verlag sein Bestseller-Buch "Work-Survive-Balance".. 2024 nannte ihn das Personalmagazin einen der „Top 10 HR-Influencer Deutschlands“.

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05.03.25
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Silvia Hänig

Ein Beitrag von Silvia Hänig

Silvia Hänig ist Communication & Employer Relations Expertin sowie Founder & Managing Director von iKom. Als erfahrene Managerin begleitet sie national und international tätige Unternehmen dabei, in komplexen Situationen erfolgreich strategisch zu kommunizieren.

Kontakt: haenig@i-kom.org
Website: http://i-kom.org
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