V wie Versorger?
„Können Väter eigentlich schlechter basteln als Mütter?“ Die rhetorische Frage stellt sich Florian Staßfurth regelmäßig, wenn er beim Bastelnachmittag im Kindergarten mal wieder der einzige Papa ist. Der 37-Jährige arbeitet als Abteilungsleiter Finance, Procurement & HR Permanent bei Hays in Hamburg. Als Führungskraft in der Personalberatung hat er viele wichtige Termine, trotzdem findet er teilweise tagsüber durch flexible Arbeitszeitregelungen Zeit für seine kleine Tochter. „Meine Karriere ist mir wichtig, aber ich will auch am alltäglichen Leben meines Kindes teilhaben“, sagt er.
Väter wollen Vereinbarkeit
Mit diesem Wunsch ist der berufstätige Vater nicht allein. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Väternetzwerks conpadres zeigt: Vereinbarkeit ist ein wichtiges Thema – auch für Väter. Für die repräsentative Studie befragten die Meinungsforschenden Berufstätige zwischen 29 und 40 Jahren, die noch keine Kinder haben, sich aber grundsätzlich welche wünschen. Ergebnis: Fast alle Männer wollen später als Papa Elternzeit nehmen – und zwar mehr als nur die zwei Bonusmonate, die es dafür beim staatlichen Elterngeld gibt. Jeder zweite Papa in spe möchte die Auszeit gleichmäßig mit der Partnerin teilen. Auch die klassische Versorgerrolle hat zunehmend ausgedient. Nur 13 Prozent der männlichen Umfrageteilnehmer sehen sich als Vollzeit-Alleinverdiener, mehr als 40 Prozent wollen in den ersten Lebensjahren des Kindes stattdessen lieber Teilzeit arbeiten. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass es Männern nicht mehr reicht, sich auf Beruf und Karriere zu konzentrieren“, sagt Volker Baisch von conpadres: „Sie wollen sich genauso aktiv an der Familienarbeit beteiligen wie Frauen und mehr Zeit für ihre Kinder haben.“
© Hays
Florian Staßfurth, Abteilungsleiter Finance, Procurement & HR Permanent bei Hays, LinkedIn Top Voice 2023 in Gender Equity und Gründer des Väternetzwerks bei Hays
Wo bleibt die Gleichberechtigung?
Das Problem: In der Arbeitswelt 2023 spiegelt sich der Wunsch nach gleichberechtigter Partner- und Elternschaft bislang kaum wider. So waren 2022 laut Statistischem Bundesamt 45 Prozent aller Mütter, aber nur drei Prozent aller Väter mit einem Kleinkind unter drei Jahren in Elternzeit. Im Schnitt pausieren Mütter 14,6 Monate vom Job – also viermal so lange wie Väter. Auch der Blick auf die Teilzeitquoten erklärt, warum Florian Staßfurth beim Basteln so oft allein unter Frauen ist. Nur sieben Prozent aller Väter mit einem Kind unter zwölf Jahren arbeiten heute bereits Teilzeit, bei den erwerbstätigen Müttern sind es 70 Prozent – oft mit negativen Folgen für Aufstiegschancen, Gehalt und Altersvorsorge. Führen in Teilzeit oder Job-Sharing im Topmanagement sind in deutschen Unternehmen wenig verbreitet. Warum, wenn sich viele Eltern doch offenbar dringend mehr Geschlechtergerechtigkeit wünschen?
© Maya Meiners Fotografie
Volker Baisch, Gründer und CEO conpadres, Speaker, Autor und Berater
Unternehmen in der Pflicht
Fehlende KiTa-Plätze, Gender Pay Gap oder Nachbesserungsbedarf im Recht auf Teilzeit oder Homeoffice sind für Volker Baisch nur Teil der Erklärung. Der Vereinbarkeitsexperte sieht nicht nur die Politik, sondern auch die Unternehmen selbst in der Verantwortung, eine familienfreundlichere Arbeitskultur zu schaffen. Die gegenwärtige Debatte um noch längere Arbeitszeiten seien das falsche Signal, mahnt er. Studien, wie der Hays-HR-Report 2023 oder der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigen vielmehr deutlich, dass Maßnahmen zur Vereinbarkeit für Unternehmen als Instrument zur Mitarbeitendenbindung immer weiter an Bedeutung gewinnen. Zwar würden sich viele Firmen bereits für sehr familienbewusst halten, „allerdings sind die meisten Angebote in der Kommunikation noch immer auf Frauen ausgerichtet“, so Baisch. Noch immer würden engagierte Väter von Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten oft nicht ernst genommen und müssten karrieretechnisch – insbesondere bei längerer Elternzeit oder Teilzeit – Nachteile befürchten, weiß der zweifache Vater aus eigener Erfahrung. Seit mehr als zehn Jahren engagiert sich der conpadres-Gründer deshalb für mehr partnerschaftliche Vereinbarkeit aus Vätersicht. Das Sozialunternehmen unterstützt unter anderem die Gründung von Väternetzwerken in Unternehmen. „Macht das Vatersein in Euren Unternehmen sichtbar“, ermutigt Baisch Beschäftigte, die sich nicht länger mit Kind ODER Karriere abfinden wollen.
© Andi Werner
Roman Gaida, CSO bei Bürkert Fluid Control Systems, Autor und Vater von Zwillingen
Kulturwandel bringt Vorteile
Florian Staßfurth ist diesem Rat gefolgt und hat 2021 ein Väternetzwerk bei Hays ins Leben gerufen. Für den Recruiting-Experten nicht nur menschlich ein wichtiges Signal: „Als Firma haben wir auf diesem Thema bereits große Schritte nach vorne gemacht, müssen aber weiter aufgeschlossen und veränderungsbereit bleiben. Wenn uns dies nicht gelingt, werden wir ein riesiges Problem damit bekommen, junge Menschen langfristig an uns zu binden“, sagt er. Schon heute seien viele Beschäftigte bereit, den Job für familienfreundliche Rahmenbedingungen zu wechseln. Unternehmen mit einer modernen Kultur ohne Klischees und Vorurteile gegenüber aktiv gelebter Elternschaft seien im Wettbewerb um Talente also klar im Vorteil.
Ähnlich sieht das Roman Gaida. Beim Thema Vereinbarkeit geht der Vater und Top-Manager mit gutem Beispiel voran. „Vater von Zwillingen“ steht neben seinem Jobtitel ganz oben in seinem LinkedIn-Profil. Als Bereichsleiter hat er beim internationalen Technologiekonzern Mitsubishi Electric in Düsseldorf bis vor Kurzem ein 150-köpfiges Team geführt. Seit November verantwortet er als Vorstandsmitglied die weltweiten Vertriebs- und Marketingaktivitäten eines deutschen Technologieunternehmens, das Industriekunden auf der ganzen Welt mit Ventilen und Sensoren beliefert. Über seine Erfahrungen als „Working Dad“ hat Gaida kürzlich ein Buch geschrieben. „Vorgesetzte, die beim Thema Vereinbarkeit nicht genügend Empathie entwickeln, werden sich mit einer höheren Fluktuation abfinden müssen“, sagt er. Führungskräfte sollten Familienpausen nicht länger als Hindernis, sondern als normalen Karrierebaustein betrachten. Bei Mitsubishi seien längere Auszeiten bereits selbstverständlicher Bestandteil von Onboarding- und Entwicklungsgesprächen. Sein Fazit: „Vereinbarkeit sollte nicht Alleinstellungsmerkmal eines Unternehmens sein, sondern Teil einer gesunden Unternehmenskultur.“ Genau wie bastelnde Väter!
Elterngeld vom Chef
Das gesetzliche Elterngeld beträgt in der Regel 65 Prozent des Nettogehalts, maximal 1.800 Euro. Um auch dem besserverdienenden Elternteil – oftmals der Vater – die Entscheidung für eine längere Elternzeit ohne starke finanzielle Einbußen für die Familie zu erleichtern, stocken immer mehr Unternehmen die staatliche Unterstützung freiwillig auf, darunter zum Beispiel das FinTech Bitpanda, das IT-Unternehmen Hewlett Packard, der Lebensmittelkonzern Nestlé oder der Mobilfunkanbieter Vodafone. Für Erdmute Thalmann, Managerin Diversity & Work Life bei Vodafone, haben Väter in Elternzeit eine wichtige Vorbildfunktion. Sie wünscht sich, dass Eltern sich die Elternzeit selbstverständlich aufteilen und die Kinder gemeinsam betreuen können und so beide die gleichen Chancen auf Kind und Karriere haben.
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